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Bürgerversicherung vs. Zweiklassenmedizin?

von | Feb 19, 2018 | Versicherung

Die aktuelle Diskussion um eine Reform des jahrzehntelang währenden Systems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird oft politisch motiviert und selten sachlich fundiert geführt. Hierzu ein paar Anmerkungen aus der Sicht eines Versicherungsmaklers: 

Sachverhalt 

In Deutschland existiert zur Absicherung von Kosten der medizinischen und pflegerischen Versorgung parallel ein System der gesetzlichen (GKV) und privaten Krankenversicherung (PKV). In der GKV befinden sich ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung, Rentner, Familienangehörige und Kinder sowie Empfänger sozialer Fürsorge. Über die Pflichtmitgliedschaft erschließt sich diesen Gruppen bis auf gut verdienenden Angestellten die PKV nicht. In der PKV befinden sich ein Großteil der selbständig Erwerbstätigen, gut verdienende Angestellte sowie Beamte mit Beihilfeanspruch.

Die Besonderheit des deutschen Systems besteht in der Parallelität von umlagefinanzierter GKV und kapitalgedeckter PKV, wobei die PKV als substitutive (ersatzweise) Versorgung einige Auflagen des Gesetzgebers erfüllen muss.

Bisherige Situation

Bislang entwickelten sich beide Systeme parallel mit unterschiedlichen Problematiken. Die Grenzen umlagefinanzierter GKV sind ebenso wie z.B. die gesetzliche Rentenversicherung durch Anzahl der Beitragszahler (sozialversicherungspflichtige Beschäftigte), Volumen der Beitragszahlungen (Wirtschaftslage, Einkommenshöhe) und Ausgaben der Leistungsseite (medizinischer Fortschritt, Familienversicherung, Langlebigkeit, Leistungskatalog) gesteckt. 

Die PKV hat dagegen in erster Linie als kapitalgedecktes System mit den Ausgabenzuwächsen bei niedriger Zinsstruktur (Anlage der Altersrückstellungen), höherem Leistungsniveau der privaten Arztpraxen u. Kliniken, Rückgang der Versicherten durch stärkere Eingrenzung von versicherbaren Personengruppen u. Langlebigkeit der Versichertengemeinschaft zu tun. 

Forderungen nach einer Gleichschaltung finden sich (schon begrifflich falsch durch die Bezeichnung private „Kassen“) in Gesetzen wieder, die die PKV an die GKV angleichen wollen indem systemfremde Elemente (Deckelung von Beiträgen, Eingriff in die Finanzierung z.B. bei säumigen Zahlern etc.) eingeführt wurden. 

Prinzipiell ist zu beobachten, dass die gesetzlichen Kassen stark konjunkturabhängig schwankende Einnahmen und vom Gesetzgeber durch Budgetierung und Erweiterungen des Leistungsumfangs z.B. ebenso schwankende Leistungsausgaben zu schultern haben. Gleichzeitig nagt das Demographie-Problem mit schwindenden Beitragszahlern u. überwiegend mit geringen Beiträgen zunehmenden Leistungsempfängern am System. Umlagefinanzierung bedeutet auch immer, dass keine Zukunftssicherung betrieben werden kann. Das System ist abhängig von Politik und Wirtschaftsentwicklung. 

Die privaten Krankenversicherer haben massive Beitragsanpassungen durch den nicht veränderbaren Leistungskatalog und die gesetzlich vorgeschriebene auskömmliche Zukunftskalkulation vorzunehmen, was die Attraktivität natürlich schmälert. Niedrigzinsen belasten hier erheblich das System der Rücklage – was eigentlich aber das zukunftsfähigere darstellt.

Reformen und ihre Erfolge

Über Reformen wird seit Jahrzehnten versucht, die Ausgaben des GKV-Systems nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Im Unterschied zur PKV kann der Gesetzgeber hier auch die Leistungsseite verändern, ohne dass dies rechtliche Konsequenzen hat. In der PKV können abgeschlossene Verträge nicht einseitig zum Nachteil des Kunden verändert werden. 

Betrachtet man vergangene GKV-Reformen wurde an unterschiedlichen Stellschrauben gedreht wie z.B. Beitragssatz, Ausgleich der Kassen nach Versichertenstruktur, Wegfall und Wiedereinführung von Leistungen wie z.B. Zahnersatz oder Hilfsmittel, Aufgabe und (aktuell geplante) Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber/Arbeitnehmer für Angestellte u. Arbeiter u.v.m.  

In vielen Fällen wurde auf der einen Seite Geld eingespart, auf der anderen Seite neue Notstände geschaffen. Die Budgetierung, d.h. Festschreibung der maximalen Leistungs-ausgaben pro Quartal führte z.B. zur Terminnot für nicht akute Behandlungen bei GKV-Patienten zum Ende eines Quartals hin. 

Bürgerversicherung 

Der Gedanke, dass eine Krankenversicherung einheitlich für alle Bevölkerungsgruppen geschaffen wird, die sowohl von allen finanziert wird als auch für alle leistet entspricht der Idealvorstellung eines sozial gerechten Systems. Prinzipiell ist eine gerechte Verteilung von Aufwand und Leistung nicht zu verurteilen, sie stößt aber ähnlich wie beim Steuersystem stets an die Grenzen der unterschiedlichen Vorstellung, was unter gerecht zu verstehen ist. 

Nimmt man z.B. die privat versicherten Beamten, bei denen die Beihilfe des Staats bzw. der Bundesländer bereits einen großen Teil der Gesundheitsversorgung finanziert steht bereits die Problematik einer nur teilweise benötigten Ergänzungsdeckung im Raum. Dies löst die PKV über Ergänzungstarife, eine Bürger-versicherung mit einheitlichem Leistungsumfang dagegen nicht. Müsste man daher auch die staatliche Beihilfe abschaffen? 

Bei den privat versicherten Angestellten und Selbständigen basiert ein Großteil der Kalkulation auf bereits angesparten Rückstellungen fürs Alter, was passiert mit diesen Beträgen bei Abschaffung der PKV? Die Tarife enthalten oft hohe Eigenbeteiligungen, die das System schonen und die Leistungsausgaben begrenzen – das leistet eine Bürgerversicherung nicht. Ein Abschluss einer privaten KV hängt von einer Gesundheitsprüfung ab, diese würde beim System Bürgerversicherung flach fallen – also ein Grundelement der PKV-Kalkulation entfiele. 

Zu diesen Themen gesellt sich die eingespielte Finanzierung von z.B. Facharztpraxen in Klein- u. Mittelzentren. Ohne die Honorare aus dem Privatsektor müssten viele von Ihnen schließen. Die Ungleichbehandlung abschaffen bedeutet auch die Quersubvention abschaffen. Ein gerechteres System muss auch die betriebs-wirtschaftliche Machbarkeit der Leistungsträger berücksichtigen. Honorarangleichung bedeutet Mehr-/Minderausgaben auf jeweils der anderen Seite, auf welches Niveau kann man sich da einigen?  

Der PKV-Patient erfährt minutiös per Rechnung Art, Umfang und Kosten seiner Behandlung. Der GKV-Patient gibt mit seiner Karte auch den Anspruch ab, Transparenz in die Abrechnung seiner empfangenen Leistungen zu erhalten. Abrechnungsskandale und Missbrauch sind hier ursächlich beheimatet. 

Eine Bürgerversicherung ist deshalb nicht unmöglich, nur ist die Machbarkeit, Finanzierung und Systemumstellung mit wesentlich mehr Problemen belastet als die scheinbar einfache Gleichung „Alle zahlen in ein System ein = ein System leistet für alle“ vermuten lässt.

Die Krankenversicherung der Zukunft – ein System für alle?  

Aus unserer Sicht wären für ein gerechtes System folgende Schritte einzuleiten: 

  • Wettbewerb der GKV und PKV stärken, Abschaffung von gesetzlich festgelegten gleichen Beitragssätzen, Eröffnung der Wahl zwischen beiden Systemen für alle Bevölkerungsgruppen
  • Honorierung von gesundheitsbewusstem Verhalten mithilfe digitaler Technologie, Bonussystemen, Nachhaltigkeitsfaktoren im Beitrag u. Rückerstattungen
  • Offenlegung der Leistungskosten für alle Versicherten GKV + PKV, Transparenzregister mit online für den Versicherten einsehbare Ausgaben u. Diagnosen
  • Rücklagenbildung in beiden Systemen, Abkehr von der rein umlagefinanzierten zur steuerlich finanzierten Krankenversicherung, Anrechnung bei privater KV für bereits geleistete Beiträge
  • Gleichwertige Förderung alternativer kostengünstiger Behandlungsmethoden bei nachgewiesenen Behandlungserfolgen
  • Förderung kostengünstiger Medikamente und Hilfsmittel durch Wegfall von monopolartigen und marktabschottenden Strukturen